Zur Haftung bei verzögerter Prüfung durch Google

Landgericht Hamburg, Urteil vom 24.03.2017, Az. 324 O 148/16

Das Landgericht Hamburg entschied am 24.03.2017, dass ein Hostprovider (hier Google ) seine Prüfplichten verletzt und damit für fremde Inhalte haften müsse, wenn er mehr als vier Tage für das Prüfungsverfahren benötigt. Das Interesse des Betroffenen gebiete es, dass der Hostprovider seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts möglichst zeitnah nachkommt.

Prüfung Google

Das Wichtigste in Kürze:

  • Google haftet nicht direkt für verzögerte Prüfungen: Google ist nicht unmittelbar haftbar, wenn die Prüfung von gemeldeten rechtswidrigen Bewertungen verzögert wird. Eine Haftung entsteht erst, wenn Google trotz Hinweisen nicht reagiert.

  • Unternehmen können gegen Untätigkeit vorgehen: Wenn Google nach einer berechtigten Meldung nicht zeitnah handelt, können Unternehmen rechtliche Schritte einleiten, um die Löschung der Bewertung zu erzwingen.

  • Schnelles Handeln ist entscheidend: Unternehmen sollten rechtzeitig agieren und Beweise sammeln, um gegen Google vorzugehen, falls die Prüfung einer negativen Bewertung unverhältnismäßig lange dauert oder nicht stattfindet.

Wie lange darf der Sachverhalt geprüft werden?

Antragstellerin war eine Anwaltskanzlei, die gegen Google vorging. Grund war, dass auf Google Maps und Google+ die Bewertung eines Nutzers u.a. mit den Worten „Inkompetent und unseriös.“, „Unfassbar!!!“ und „scheinbar nur auf Profit aus“ sowie einigen weiteren Schilderungen zur Kanzleiarbeit veröffentlicht wurde. Der Inhalt war nach Darstellung der Antragstellerin frei erfunden. Daher forderte sie zunächst Google Germany auf, den Eintrag zu entfernen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Sie erklärte, ein Mandanten mit dem verwendeten Nutzernamen sei ihnen unbekannt; die geschilderten Vorgänge hätten sich weder bei einem solchen Mandanten noch bei sonst einem Mandanten ereignet. Danach forderte die Kanzlei Google auch nochmals über ein bereitgestellte Online-Formular zur Entfernung auf. Google reagierte zunächst mit einer E-Mail, durch die der Eingang der Anfrage bestätigte wurde. Zugleich wies sie darauf hinwies, dass die Anfrage wegen zahlreicher, täglich eingehender Beanstandungen nicht sofort bearbeitet werden könne. Einige Tage später teilte Google mit, dass die Beanstandung an den bewertenden Nutzer weiterleiten werde, wenn die Antragstellerin nicht innerhalb von 7 Kalendertagen widerspreche. Einige Tage später forderte die Antragstellerin Google erneut und unter letztmaliger Fristsetzung zur Löschung der Bewertung auf. Erst nach Ablauf dieser Frist leitete jedoch die Antragsgegnerin die Beschwerde an den Verfasser der Bewertung weiter. Die Antragstellerin stellte noch am selben Tag Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, welche auch erlassen wurde. Dagegen legte Google Widerspruch ein.

Google als Störerin

Die Landgericht Hamburg entschied, dass der Antragstellerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog zustehe. Denn die Antragsgegnerin hafte als Störerin für die Verbreitung der Bewertung und verletze damit das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Antragstellerin. Zwar treffe die Antragsgegnerin nur eine eingeschränkte Haftung. Denn sie habe die Bewertung weder selbst verfasst noch sich zu Eigen gemacht. Sie könne als Hostprovider lediglich als Störerin in Anspruch genommen werden, weil sie die technischen Möglichkeiten des Internetdienstes zur Verfügung stelle. Indem die Antragsgegnerin ihre Internetdienste Google+ und Google Maps betreibt und darauf Bewertungen Dritter verbreitet, trage sie willentlich und adäquat-kausal zu möglichen Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beurteilten bei.

Keine Ermittlung und Bewertung des Sachverhaltes

Zwar sei ein Hostprovider nicht verpflichtet, die Nutzerbeiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen, so das Gericht. Die Verantwortlichkeit beginne aber, sobald der Provider Kenntnis von der Rechtsverletzung erlange. Werde der Hostprovider auf eine Verletzung hingewiesen, könne er verpflichtet sein, künftig derartige Störungen zu verhindern. Natürlich lasse sich eine behauptete Rechtsverletzung nicht stets ohne weiteres feststellen. Denn sie erfordere, zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit und dem Recht des Providers auf Meinungs- und Medienfreiheit aufzuwägen. Werde aber der Provider mit einer Beanstandung konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann, sei eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts erforderlich. Hierfür müsse auch eine etwaige Stellungnahme des bewertenden Nutzers berücksichtigt werden.

Prüfung hat zu lange gedauert

Nach Abwägung der Umstände kam das LG zu dem Schluss, dass Google nicht die ihr möglichen und zumutbaren Schritte unternommen habe, um weitere Rechtsverletzungen zu verhindern. Denn das Verfahren habe viel zu lange gedauert. Zwar sei die Antragsgegnerin erst durch die Mitteilung per Onlineformular wirksam über eine mögliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts in Kenntnis gesetzt worden. Denn bei dem Adressaten des ersten Schreibens – Google Hamburg – handele es sich nicht um den Betreiber der Internetplattformen, auf denen die Bewertung verbreitet wurden. Danach hätte Google als Hostprovider aber seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts möglichst zeitnah nachkommen müssen. Vorliegend habe die Prüfung jedoch insgesamt sechs Tage in Anspruch genommen. Unter Berücksichtigung der betroffenen Interessen und der konkreten Umstände des Einzelfalls wären aber vier Tagen völlig ausreichend gewesen. Spätestens dann hätte Google das Stellungnahmeverfahren einleiten müssen. Der zu prüfende Sachverhalt sei relativ übersichtlich gewesen. Umfangreiche Vorab-Überlegungen seien nicht erforderlich gewesen. Auch der Umstand, dass Google tagtäglich eine Vielzahl von Beschwerden erhalte, ändere daran nichts. Die Antragsgegnerin sei vielmehr verpflichtet, die technischen und personellen Voraussetzungen zu schaffen, damit zeitnah Rechtsverletzungen beseitigt werden könnten.

Landgericht Hamburg, Urteil vom 24.03.2017, Az. 324 O 148/16