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Überprüfung eines geschäftlichen Kontakts auf einem Bewertungsportal

Das Oberlandesgericht Hamburg hat entschieden, dass der Portalbetreiber einer Bewertungsplattform verpflichtet ist, eine Bewertung zu löschen, die zu Lasten eines Unternehmens (Arbeitgebers) geht, wenn der Portalbetreiber den Bewertenden nicht so individualisiert, dass das Unternehmen das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes überprüfen kann. In diesem Fall kann der Portalbetreiber auch nicht einwenden, aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen diese Individualisierung nicht vornehmen zu dürfen.

Anwalt Bewertung Gegner

Hintergrund

Die Antragstellerin betreibt ein Vertriebsunternehmen und ein Ladengeschäft in Hamburg. Sie hat etwa 22 Mitarbeiter. Die Antragsgegnerin betreibt eine große Arbeitgeber-Bewertungsplattform. Auf dieser Plattform können gegenwärtige und ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Bewerberinnen und Bewerber sowie Auszubildende ihren Arbeitgeber in verschiedenen Kategorien bewerten. Die Antragstellerin ließ die Antragsgegnerin durch zwei kurz aufeinander folgende Schreiben auffordern, Einträge zu löschen. Zur Begründung hieß es in beiden Schreiben jeweils gleichlautend:

„Der genannte Bewerter hat unsere Mandantschaft negativ bewertet. Der Bewerber- und Mitarbeiter-Kontakt zu dem Bewerter wird mit Nichtwissen bestritten, da er nicht zugeordnet werden kann.“

Die Antragsgegnerin forderte die Antragstellerin auf, mögliche unwahre Tatsachenbehauptungen bzw. Rechtsverletzungen zu beweisen. Als die Antragsgegnerin von der Antragstellerin keine weiteren Informationen erhielt, sah sie von einer Löschung der Einträge ab. Nach Erhalt des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wandte sich die Antragsgegnerin an die Nutzer, welche die beanstandeten Bewertungen abgegeben hatten. Die von diesen erhaltenen Unterlagen, aus denen sich der Nachweis ergeben sollte, dass die Nutzer bei der Antragstellerin beschäftigt gewesen seien, anonymisierte eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin und übersandte der Antragstellerin zum Beleg, dass die Urheber der angegriffenen Bewertungen bei der Antragstellerin beschäftigt gewesen seien, jeweils einen anonymisierten Tätigkeitsnachweis. Hiermit war die Antragstellerin nicht zufrieden, da dies für den Nachweis eines geschäftlichen Kontakts nicht ausreichend war.

Vorinstanz: anonymisierte Unterlagen sind ausreichend

Das Landgericht hatte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Die zuletzt genannten Unterlagen würden ausreichen, um eine tatsächliche Mitarbeiterstellung der Rezensenten nachzuweisen, sodass die Übermittlung ungeschwärzter Tätigkeitsnachweise nicht erforderlich gewesen sei. Soweit die Antragstellerin vortrage, aus den Unterlagen nicht auf die Identität der Bewertenden schließen zu können, stelle sie damit die Authentizität der Unterlagen nicht in Abrede. Zudem habe die Antragsgegnerin vorgetragen, dass die Tätigkeitsnachweise und die darin enthaltenen Namen von ihrer Mitarbeiterin mit den im Bewerterprofil der Antragstellerin hinterlegten Bestandsdaten abgeglichen und verifiziert worden seien und die Daten übereinstimmten.

Hiergegen gerichtete Beschwerde hatte Erfolg

Mit ihrer sofortigen Beschwerde hat die Antragstellerin ihr Ziel weiter verfolgt. Diese ist in der Sache begründet und führt dazu, dass der Senat die begehrte einstweilige Verfügung erlässt. Der Antragstellerin steht aus § 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB und dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG) ein Anspruch auf Unterlassung des weiteren Zugänglichmachens der beanstandeten Bewertungen zu.

Vorliegen eines geschäftlichen Kontakts muss überprüfbar sein

Hier sind die vom Bundesgerichtshof für die Haftung des Betreibers eines Internet-Bewertungsportals entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 9. 8. 2022, Az. VI ZR 1244/20, NJW 2022, S. 3072 ff.) zum Tragen gekommen: Demnach ist die Antragstellerin als Portalbetreiberin mittelbare Störerin hinsichtlich der beanstandeten Bewertungen und haftet als solche nur eingeschränkt. Wird sie mit der Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich. Dies gilt unabhängig davon, ob die beanstandete Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil, das auf einer behaupteten Tatsache aufbaut, zu qualifizieren ist. Hierbei ist die bloße Rüge ausreichend, dass der Bewertung kein tatsächlicher Kontakt des Bewerters mit seiner Leistung zugrunde liege. Diese Rüge darf der Bewertete grundsätzlich so lange aufrechterhalten, bis ihm gegenüber der Bewertende so individualisiert wird, dass er das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes überprüfen kann.

Portalbetreiber hat die Pflicht zur konkreten Stellungnahme über Kontakt

Demnach bedurfte es der Übermittlung von konkreten weiteren Informationen zu den Inhalten der Bewertungen nicht. Da die Bewertungen überwiegend Werturteile enthielten, hätte die Übermittlung weiterer Informationen durch die Antragstellerin es der Antragsgegnerin kaum ermöglicht, allein aufgrund dieser Informationen einen eventuellen Rechtsverstoß zu erkennen, so dass sie nicht darum herumgekommen wäre, ermitteln zu müssen, ob den Bewertungen tatsächliche geschäftliche Kontakte zugrunde gelegen haben. Die Antragsgegnerin hatte damit dergestalt Stellungnahmen einzuholen und diese in solcher Form der Antragstellerin zu präsentieren, dass diese das tatsächliche Vorliegen von Geschäftskontakten hätte überprüfen können.

Kein Rechtsmissbrauch

In diesem Verlangen der Antragstellerin liegt auch kein Rechtsmissbrauch, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass auf einem Bewertungsportal eine Vielzahl nicht auf konkreten Kontakten beruhender Bewertungen eines Betroffenen eingestellt werden. Noch weniger kann der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs damit begründet werden, dass sich der Betroffene von einer Rechtsanwaltskanzlei vertreten lässt, die offensiv damit wirbt, gegen Zahlung pauschalierter Festhonorare gegen Einträge in Bewertungsportalen vorzugehen. Die Beauftragung einer solchen Kanzlei allein lässt keinen Rückschluss darauf zu, ob das Bestreiten des Vorliegens eines geschäftlichen Kontaktes durch die Antragstellerin in jedem einzelnen Fall in der Sache begründet ist oder nicht. Auch der große Umfang des Geschäftsbetriebs der Antragsgegnerin entbindet sie von der Einhaltung ihrer Überprüfungsobliegenheit nicht, da diese jeden Betreiber eines Bewertungsportals trifft.

Arbeitnehmer müssen für ihre Bewertungen geradestehen

Zu einem abweichenden Beurteilungsmaßstab führt auch nicht der Umstand, dass es für den Betreiber eines Arbeitgeber-Bewertungsportals schwieriger sein mag, nach der Beanstandung einer Eintragung einzelne Bewerter dazu zu bewegen, sich zu erkennen zu geben, weil sie häufig befürchten werden, nach ihrer Kenntlichmachung Repressalien ihres negativ bewerteten Arbeitgebers ausgesetzt zu sein. Dies vermag nicht zu rechtfertigen, dass ein Arbeitgeber, der einer über das Internet verbreiteten Kritik einer Person, die behauptet, für ihn gearbeitet zu haben oder zu arbeiten, ausgesetzt wird, diese öffentliche Kritik hinnehmen muss, ohne die Möglichkeit zu erhalten, sie auf das Vorliegen einer tatsächlichen Grundlage zu prüfen und sich gegebenenfalls dazu in der Sache zu positionieren.

Keine datenschutzrechtlichen Bedenken im konkreten Fall

Die datenschutzrechtlichen Bedenken der Antragsgegnerin konnten ausgeräumt werden. Soweit es um die Verbreitung von Äußerungen geht, deren Rechtmäßigkeit nur überprüft werden kann, wenn der Urheber oder die Quelle der Äußerungen bekannt ist, trägt das Risiko, ob er den Urheber oder die Quelle namhaft machen darf, kann oder will, im Streitfall grundsätzlich der Verbreiter. Geschieht die Verbreitung im Rahmen eines Geschäftsbetriebes, wie das bei einem Bewertungsportal der Fall ist, gehört dieses Risiko zu den typischen Geschäftsrisiken, die jeden Unternehmer bei seiner Tätigkeit treffen. 

Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss von 08.02.2024, Az. 7 W 11/24