Bewertungsplattform trifft sekundäre Darlegungspflicht bei Negativbewertung
Kann ein Ärztebewertungsportal nicht darlegen, dass ein Patientenkontakt tatsächlich stattgefunden hat, so hat es eine Bewertung der Behandlung mit einer negativen Gesamtnote, die der betroffene Arzt bestreitet, zu löschen. Von dem vermeintlichen Patienten müssen zumindest Anknüpfungstatsachen über eine erfolgte Behandlung (z.B. Terminkarten, Zetteleintragungen in Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien für eine Behandlung) hervorgebracht werden, was durch die Plattformbetreiber im Rahmen der sekundären Darlegungspflicht zu klären ist. Dies hat das Landgericht Frankenthal entschieden.
Das Wichtigste in Kürze:
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Sekundäre Darlegungspflicht für Bewertungsplattformen: Bewertungsplattformen sind verpflichtet, bei einer Negativbewertung im Streitfall konkrete Nachweise zu erbringen, dass die Bewertung den Tatsachen entspricht, sofern der Bewertete die Rechtswidrigkeit der Bewertung schlüssig darlegt.
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Verantwortung der Plattformen: Bewertungsportale müssen auf Anfragen des Bewerteten reagieren und Informationen über die Bewertung und deren Grundlage offenlegen. Dies stärkt die Position von Unternehmen oder Personen, die sich gegen unrechtmäßige Bewertungen wehren.
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Gerichtliche Bestätigung der Darlegungspflicht: Gerichte haben wiederholt entschieden, dass Plattformen im Rahmen ihrer Prüfpflichten aktiv werden und nachweisen müssen, dass Bewertungen rechtmäßig sind, wenn sie in Frage gestellt werden.
Hintergrund
Geklagt hat ein Kieferorthopäde, der auf dem Bewertungsportal Jameda folgende Bewertung eines anonymen Nutzers gerügt hat:
„Ich fühlte mich während der Behandlungszeit immer sehr unwohl, wenn ich einen Termin dort wahrzunehmen hatte. Ich halte (Kläger) für einen extrem schlechten Arzt, weil ich fand den Umgang mit mir als Patient eine Katastrophe! Meiner Meinung nach ein ganz furchtbarer Mensch.“
Folgende Einzelnoten wurden in nachfolgend benannten Einzelkategorien vergeben:
- Behandlung 6,0
- Aufklärung 5,0
- Vertrauensverhältnis 5,0
- genommene Zeit 5,0
- Freundlichkeit 5,0
- Angst Patienten 5,0
- Wartezeit Praxis 3,0
- Betreuung 4,0
- Entertainment 2,0
- Kinderfreundlichkeit 6,0
- Praxisausstattung 4,0
Damit belief sich die Gesamtnote auf 5,2. Dies wollte der Kläger nicht gegen sich gelten lassen, weshalb er mit Anwaltsschreiben das Portal zur Löschung auffordern ließ. Daraufhin leitete die Beklagte ein Prüfverfahren ein, in dem sie den Patienten um Behandlungsbelege geboten hat. Dieser legte für den angeblich vierjährigen Behandlungszeitraum ein weitgehend geschwärztes Abschlussschreiben des Arztes vor. Aus diesem ist weder ein Datum noch der Name des Patienten ersichtlich gewesen. Auch die Vorlage weiterer Belege verweigerte er. Daraufhin hat der Kläger bestritten, den Patienten je behandelt zu haben.
Klagender Arzt ging aufs Ganze und bekam Recht
Der klagende Arzt sah sich in seinen Rechten verletzt, denn die Bewertung ziele darauf ab, seine persönliche und berufliche Integrität mit größtmöglichem Schaden anzugreifen. Daraufhin hat die beklagte Plattform lediglich den Satz: „Meiner Meinung nach ein ganz furchtbarer Mensch“ gelöscht und ließ die weitere Bewertung online. Hiermit war der Kläger nicht einverstanden, sodass er auf Unterlassung geklagt hat. Im Ergebnis hat die Kammer dem Kläger recht gegeben und verpflichtete die Bewertungsplattform zur Herausnahme des Beitrags.
Bewertungsportalbetreiber triff sekundäre Darlegungspflicht
Zwar treffe zunächst denjenigen, der eine negative Bewertung entfernen lassen möchte, die Beweislast. So müsse der betroffene Arzt detailliert darlegen, warum der Beitrag im Einzelnen unzutreffend und rechtswidrig sei, so die Richter. Es bestehe darüber hinaus aber auch eine sekundäre Darlegungspflicht des Bewertungsportals. Dies resultiere aus dem Umstand, dass ein Beweis negativer Tatsachen für den Arzt besonders schwierig sei. Da die von dem Patienten eingeholten Begründungen letztlich nicht ausgereicht haben, sei der Betreiber der Bewertungsplattform dieser Pflicht nicht ausreichend nachgekommen. Der Bewertende habe lediglich seine subjektiven Empfindungen dargelegt, ohne einen direkten Zusammenhang zu nennen, welcher die Echtheit der Bewertung hätte darlegen können. Insofern müsse davon ausgegangen werden, dass der Verfassers tatsächlich nie Patient des Klägers gewesen sei.
Fazit
Zwar sind Ärzte in erster Linie selbst gefragt, wenn es darum geht, die Unrichtigkeit zu beweisen, damit ein negativer Beitrag von einem Bewertungsportal gelöscht wird. Aufgrund der sekundären Darlegungspflicht darf allerdings Hilfe von der Bewertungsplattform erwartet werden, denn diese muss konkrete Tatsachen aufzeigen, zu denen der Betroffene dann Stellung nehmen kann. Andernfalls kann der Betroffene einen Unterlassungsanspruch auf Löschung der Bewertung geltend machen. Bewertungen im Internet sind für Verbraucher, insbesondere für den ersten Eindruck, oft unerlässlich. Deshalb kann es besonders geschäftsschädigend für Unternehmer sein, wenn diese falschen Bewertungen ausgesetzt sind, indem negative Kritiken weitreichenden Einfluss auf die Kundschaft eines Arztes haben. Daher ist Betroffenen anzuraten, derartige Beiträge aus dem Netz nehmen zu lassen, im Ernstfall mittels einer Unterlassungsverfügung.
Landgericht Frankenthal, Urteil vom 18.09.2018, Az. 6 O 39/18