Zu den Prüfpflichten von Bewertungsportalen
Landgericht Berlin, Beschluss vom 08.11.2018, Az. 27
O 525/18
Das Landgericht Berlin beschloss am 08.11.2018, dass das Jameda-Urteil des BGH für Ärztebewertungsportale im Grundsatz auf andere Bewertungsportale übertragbar sei. Somit habe auch Google Bewertungen zu löschen, denen kein Kundenkontakt vorausgegangen sei.
Das Wichtigste in Kürze:
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Bewertungsportale haben eine Prüfpflicht: Bewertungsportale sind verpflichtet, Beschwerden über rechtswidrige Bewertungen ernsthaft zu prüfen. Dies betrifft insbesondere falsche Tatsachenbehauptungen oder Beleidigungen.
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Manuelle Überprüfung ist oft notwendig: Algorithmen können nicht alle problematischen Bewertungen erkennen, weshalb eine manuelle Überprüfung durch die Portale notwendig ist, um die Authentizität und Rechtmäßigkeit der Bewertungen sicherzustellen.
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Gerichtsurteile fordern strengere Kontrollen: Gerichte haben in mehreren Fällen bestätigt, dass Bewertungsportale stärker in die Verantwortung genommen werden, um rechtswidrige Inhalte nach Beschwerde sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls zu entfernen.
Ab wann muss Google Beanstandungen prüfen?
Antragsteller war eine Werkstatt. Über Google sowie Google Maps hatte ein Nutzer den Antragsteller mit den Worten „Hier wird offenbar auch an Bewertungen Manipuliert. Ich kann diese Werkstatt definitiv niemandem empfehlen. Hier werden Praktiken gelebt die nicht im Interesse der Kunden sind. Wie viele andere Erfahrungsberichte hier wird vermutlich auch diese bald von den Betreibern angefochten. Sucht euch einfach eine Seriöse Werkstatt“ bewertet. Der Antragsteller hatte Google auf die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung hingewiesen und Löschung gefordert. Weder er noch seine Mitarbeiter konnten den Verfasser einen seiner Kunden zuordnen. Trotzdem verbreitete Google die beanstandete Äußerung weiter. Im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens forderte der Antragsteller daher die Löschung der Bewertung.
Ab wann bestehen Prüfpflichten für ein Bewertungsportal?
Klägerin war ein Ferienpark an der Ostsee; die Beklagte war Betreiberin eines Reiseportals im Internet. Nutzer des Portals konnten Hotels anhand eines Notenschemas mit bis zu sechs Sonnensymbolen in verschiedenen Kategorien bewerten sowie frei formulierte Bewertungen abgeben. Die Nutzungsrichtlinien der Beklagten sahen vor, dass Leistungen nur bewertet werden dürfen, wenn sie auch in Anspruch genommen wurden. Die Klägerin wendet sich gegen mehrere negative, teils mit Fotos versehene Bewertungen im Reiseportal der Beklagten. Diese waren allesamt nur unter Vornamen oder Initialen der angeblichen Gäste veröffentlicht. Die Klägerin behauptete, keiner der Bewertenden sei ihr Gast gewesen. Sie verlangte, die Bewertungen zu unterlassen und zu verbreiten. Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht verurteilte die Beklagte teilweise zur Unterlassung. Mit der Revision verfolgte die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.
Meinungsäußerung vs. Persönlichkeitsrecht
Das Landgericht Berlin befand, Google habe gegen seine Prüfpflichten verstoßen und hafte damit als mittelbare Störerin. Zwar handele es sich bei der Bewertung um eine Meinungsäußerung. Diese genieße grundsätzlich einen weiten Schutz. Fehle es allerdings an tatsächlichen Bezugspunkten für die Meinung oder sei sie schlicht unwahr, müsse sie zugunsten des Antragstellers und seinem Persönlichkeitsrecht zurücktreten.
Rechtsprechung zu Ärzteportal
Die Kammer sah vorliegend die Bewertung als unzulässige Meinungsäußerung an. Der Antragsteller habe glaubhaft gemacht, dass der Verfasser kein Kunde sei. In seinem Urteil für das Ärztebewertungsportal Jameda habe der BGH festgestellt, dass Nutzer kein Recht haben, nicht stattgefundene ärztliche Behandlungen zu bewerten. Ferner fehle es auch an einem berechtigten Interesse des Plattformbetreibers, eine solche Bewertung zu kommunizieren (BGH, Urteil vom 01.03.2015, Az. VI ZR 34/15).
Rechtsprechung ist übertragbar
Diese Rechtsprechung sei im Grundsatz auch auf andere Bewertungsportale übertragbar, so das Gericht weiter. Auf die Mitteilung des Antragstellers, es läge kein Kundenkontakt vor, habe Google daher eine Überprüfung vornehmen und Kontakt zum Verfasser aufnehmen müssen. Zwar habe Google bereits vorher eine Stellungnahme des Verfassers eingeholt. Diese sei aber völlig substanzlos gewesen. Ihr sei auch nicht zu entnehmen gewesen, dass Kontakt zum Antragsteller bestanden habe. Im Anschluss habe der Antragsteller nochmals substantiiert zum fehlenden Geschäftskontakt ausgeführt. Daher habe nochmals eine Stellungnahme eingeholt werden müssen. Spätestens nach Einräumung einer Frist von maximal 14 Tagen zur Prüfung und Einholung der Stellungnahme habe Google die Bewertung löschen müssen. Dies sei jedoch nicht erfolgt.
Landgericht Berlin, Beschluss vom 08.11.2018, Az. 27 O 525/18