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Verstoß gegen Prüfpflicht trotz Hinweis auf fehlenden Kundenkontakt

Landgericht Mainz, Urteil vom 09.05.2018, Az. 1 O
86/17

Das Landgericht Mainz urteilte am 08.05.2018, dass Google gegen seine Prüfpflichten verstoßen habe und damit als mittelbare Störerin haften müsse. Denn die Hinweise des Klägers auf die Rechtsverletzung seien so konkret gewesen, dass seine Behauptungen unschwer auch ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung hätten bejaht werden können.

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Wann verstößt ein mittelbarer Störer gegen seine Prüfpflichten?

Kläger war ein Winzer, der gegen Google wegen der Veröffentlichung zweier Bewertungen auf Google Maps vorging. Unter seinem Unternehmenseintrag auf Google Maps befanden sich insgesamt 13 Bewertungen. Darunter befanden sich zwei schlechte Bewertungen mit jeweils nur einem Stern. Eine Bewertung lautete: „Aus meiner Sicht/Empfehlung kann ich nur dringend abraten!!!“. Die andere Bewertung war mit „kein Stern Wert, leider technisch nicht möglich ohne Stern zu bewerten!“ kommentiert. Der Kläger forderte von Google, die Verbreitung der beiden Bewertungen zu unterlassen. Grund sei, dass zu beiden Nutzern kein Kundenkontakt existierte. Google lehnte dies ab.

Örtliche Zuständigkeit

Das Landgericht Main erachtete sich für örtlich zuständig. Bei der Auslegung des § 32 ZPO sei entscheidend, dass die rechtsverletzenden Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland aufweisen. Dies sei vorliegend erfüllt. Denn die Verbreitung der Bewertung erfolge über die deutsche Google Maps-Seite. Die Bewertungen seien auch deutsch verfasst und richten sich deshalb vornehmlich an einen deutschen Adressatenkreis.

Google als mittelbare Störerin

Google könne auch als mittelbare Störerin in Haftung genommen werden, so das Gericht. Grundsätzlich sei mittelbarer Störer, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Zwar dürfe die Haftung nicht über Gebühr auf andere erstreckt werden. Denn die rechtswidrige Beeinträchtigung werde nicht durch den mittelbaren Störer selbst vorgenommen. Deswegen setze die Haftung eine Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Entsprechend sei auch ein Host-Provider für die Verletzung verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener also den Host-Provider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, könne er verpflichtet sein, künftig derartige Störungen zu verhindern.

Unschwer erkennbarer Rechtsverstoß

Das Landgericht war der Ansicht, dass ein Host-Provider allerding nur tätig werden müsse, wenn der Hinweis auf die Rechtsverletzung ausreichend konkret sei. Dafür müsse der behauptete Rechtsverstoß unschwer ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung bejaht werden können. In einem solchen Fall müsse die beanstandete Bewertung anschließend an den zuständigen Nutzer weitergeleitet werden. Dieser könne dazu eine Stellungnahme abgeben. Bleibt eine solche innerhalb angemessener Frist aus, sei von einer berechtigten Beanstandung auszugehen und die Bewertung zu löschen. Werde aber die Beanstandung substantiiert in Abrede gestellt und ergeben sich deshalb berechtigte Zweifel, sei der Provider grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies mitzuteilen und ggf. Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt.

Konkrete und plausible Anhaltspunkte

Vorliegend sei die Behauptung des Klägers, wonach den Bewertungen kein Kundenkontakt zugrunde gelegen habe, hinreichend konkret gewesen, so das Gericht weiter. Dem stehe nicht entgegen, dass es sich letztlich nur um eine Mutmaßung handelt, die nicht weiter belegt worden sei. Denn zu konkreteren Darlegungen sei der Kläger angesichts des Umstandes, dass die Bewertungen keinerlei tatsächliche Angaben enthalten habe, nicht in der Lage gewesen. Der Kläger habe dargelegt, dass ihm die beiden Bewerter nicht bekannt seien. Es habe sich auch ganz offensichtlich nicht um deren Klarnamen gehandelt, unter denen sie die Bewertungen veröffentlicht haben. Mangels weiterer Angaben sei der Kläger nicht in der Lage gewesen, seine Behauptung zum fehlenden Kundenkontakt weiter zu konkretisieren.

Verletzung des Persönlichkeitsrechts deutlich erkennbar

Das Landgericht befand, dass auf Grundlage der Beanstandungen ein Rechtsverstoß unschwer zu bejahen gewesen sei. Durch die Bewertungen ohne jeglichen Kundenkontakt werde der Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Dieses Recht gewährleiste auch den Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen des Unternehmens, insbesondere auf dessen Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Die beanstandeten Bewertungen mit einem Stern griffen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes bzw. Unternehmerpersönlichkeitsrechtes ein.

Abwägung von Meinungsfreiheit und Schutz des Persönlichkeitsrechts

Für die rechtliche Einschätzung sei zunächst eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers und dem Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit der Beklagten vorzunehmen, befand das LG. Fehle es für die Bewertungen aber an einem Kundenkontakt, überwiege das geschützte Interesse des Klägers. In dem Fall sei der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht als rechtswidrig zu betrachten. Denn der durchschnittliche Leser gehe davon aus, dass sich die Kommentare auf Google Maps auf den Kläger, sein Weingut oder dessen Weine beziehen. Die Verfasser rieten ausdrücklich vom Kläger und dessen Dienstleistungen ab. Der Kläger und sein Weingut werden dadurch in der Öffentlichkeit negativ dargestellt. Es sei davon auszugehen, dass sich interessierte Menschen durch diese schlechten Bewertungen abschrecken ließen und das Weingut nicht aufsuchen würden.

Bewertung als Meinungsäußerung

Das LG berücksichtigte vorliegend, dass es sich bei den angegriffenen Beiträgen um Meinungsäußerungen handelt. Allerdings müsse die Meinungsfreiheit hinter dem Persönlichkeitsrecht des Klägers zurücktreten. Bei dieser Einschätzung seien auch die Besonderheiten des Internet zu beachten. Aufgrund des großen Verbreitungsgrades wirkten sich negative Meinungsäußerungen im Internet erheblich aus. Daher müssten Äußerungen im Internet dort ihre Grenze finden, wo es für eine belastende Meinung schlechthin keinen tatsächlichen Bezugspunkt gibt. Für potentielle Kunden des Klägers aber können nur Bewertungen relevant sein, die zumindest einen tatsächlichen Berührungspunkt mit dessen Leistungen aufweisen.

Zumutbare Prüfpflichten

Durch die konkreten Hinweise des Klägers seien Prüfpflichten der Beklagten ausgelöst worden, so das Gericht weiter. Ohne eine von Google angeforderte Stellungnahme der Nutzer sei es dem Kläger nicht möglich, konkretere Angaben zu machen. Der Beklagten war letztlich auch zuzumuten, die Verfasser der Bewertungen zur Stellungnahme aufzufordern. Google werde mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben. Durch die ungefilterte Möglichkeit von Bewertungen trage die Beklagte daher maßgeblich dazu bei, dass sich auch verletzende Äußerungen schnell und ·universell über das Internet verbreiten. Zwar könne keine Vorabprüfung verlangt werden. Allerdings sei zumutbar, nach Kenntniserlangung einer potentiellen Rechtsverletzung die dargestellte Plausibilitätsprüfung der Bewertung durchzuführen.

Landgericht Mainz, Urteil vom 09.05.2018, Az. 1 O 86/17