Schmähkritik im Internet: Eine umfassende Analyse und rechtliche Einordnung

 

In der heutigen digitalen Welt sind soziale Medien, Blogs, Bewertungsportale und andere Online-Plattformen zu bedeutenden Orten für den Austausch von Meinungen und Erfahrungen geworden. Während die Meinungsfreiheit ein fundamentales Recht ist, das durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt wird, existieren auch Grenzen, die oft durch den Begriff der Schmähkritik definiert werden. Schmähkritik kann nicht nur zivilrechtliche, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dieser Artikel gibt einen tiefen Einblick in das Thema Schmähkritik, ihre rechtlichen Grundlagen und Beispiele aus der Rechtsprechung, um die Abgrenzung zwischen zulässiger Meinungsäußerung und unzulässiger Schmähkritik klar herauszustellen.

Schmähkritik

Das Wichtigste in Kürze:

  • Schmähkritik unterscheidet sich von zulässiger Meinungsäußerung, da sie primär darauf abzielt, eine Person oder ein Unternehmen zu beleidigen oder zu diffamieren, ohne sachliche Auseinandersetzung. Solche Äußerungen sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.
  • Betroffene können rechtlich gegen Schmähkritik vorgehen, indem sie eine Unterlassungsklage einreichen oder die Löschung der beleidigenden Inhalte auf Bewertungsplattformen beantragen. Dies dient dem Schutz der persönlichen Ehre und der Reputation.
  • Schnelles Handeln und professionelles Reputationsmanagement sind entscheidend, um den Schaden durch Schmähkritik zu minimieren. Monitoring-Tools können helfen, solche Inhalte frühzeitig zu erkennen und zu entfernen.

Definition: Was ist Schmähkritik?

Schmähkritik ist eine extreme Form der Meinungsäußerung, die sich dadurch auszeichnet, dass sie nicht auf die sachliche Auseinandersetzung abzielt, sondern vorrangig darauf, die betroffene Person herabzuwürdigen oder zu beleidigen. Sie geht über die Grenzen einer zulässigen Meinungsäußerung hinaus und stellt eine Persönlichkeitsverletzung dar.

Merkmale der Schmähkritik:

  • Primäre Zielrichtung der Abwertung: Der Hauptzweck liegt in der Diffamierung einer Person.
  • Fehlender Sachbezug: Es fehlt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit einem konkreten Thema.
  • Intensität und Pauschalität: Schmähkritik ist oft gekennzeichnet durch pauschale und stark überzogene Angriffe.
  • Beleidigender Charakter: Die Äußerungen sind beleidigend und überschreiten die Grenzen des Anstands.

Beispiele:

  1. Direkte Beleidigungen: Aussagen wie „Du bist ein Idiot“ oder „Dieser Arzt ist ein Betrüger“ zielen darauf ab, die betroffene Person in ihrer Ehre herabzusetzen.
  2. Pauschale Abwertungen ohne Kontext: Aussagen wie „Dieser Politiker ist unfähig und korrupt“ ohne einen spezifischen Bezug zu einem Sachverhalt.

Schmähkritik muss klar von legitimer Kritik abgegrenzt werden, die auch scharf und überspitzt sein darf, solange sie einen Sachbezug aufweist und nicht primär beleidigend ist.

Was sagt das Bundesverfassungsgericht dazu?

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich in zahlreichen Entscheidungen mit der Abgrenzung zwischen zulässiger Meinungsäußerung und Schmähkritik beschäftigt. Es unterstreicht die hohe Bedeutung der Meinungsfreiheit, erkennt aber auch die Notwendigkeit, Persönlichkeitsrechte zu schützen. Die Meinungsfreiheit findet dort ihre Grenzen, wo sie die Persönlichkeitsrechte anderer verletzt.

Wichtige Grundsätze des BVerfG zur Schmähkritik:

  1. Fokus auf die Diffamierung: Eine Äußerung ist dann Schmähkritik, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung mit einem Sachverhalt im Vordergrund steht, sondern allein die Herabwürdigung der Person.
  2. Gesamtbetrachtung erforderlich: Es ist stets eine Gesamtwürdigung der Äußerung im konkreten Kontext notwendig. Eine isolierte Betrachtung einzelner Worte reicht nicht aus.
  3. Kein Schutz durch Meinungsfreiheit bei Schmähkritik: Schmähkritik fällt nicht unter den Schutz der Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 GG. Sie kann zivilrechtlich und strafrechtlich verfolgt werden.

Präzedenzfälle:

  • Urteil zur Bezeichnung eines Politikers als „durchgeknallter Staatsanwalt“ (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2009 – 1 BvR 2272/04): Das BVerfG entschied, dass dies noch durch die Meinungsfreiheit gedeckt sei, da die Äußerung im Rahmen einer politischen Debatte stattfand und keinen vorrangigen herabsetzenden Charakter hatte.
  • Urteil zur Bezeichnung eines Richters als „pädophiler Richter“ (BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2011 – 1 BvR 927/08): Hier wurde die Äußerung als Schmähkritik gewertet, da die Aussage ohne sachlichen Bezug und in pauschal herabwürdigender Weise erfolgte.

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Meinungsfreiheit versus Schmähkritik

Die Meinungsfreiheit ist ein zentrales Grundrecht in der demokratischen Gesellschaft und umfasst das Recht, seine Meinung frei zu äußern, Informationen zu verbreiten und zu empfangen. Jedoch ist dieses Recht nicht absolut und endet dort, wo es die Rechte anderer beeinträchtigt, insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Abwägungskriterien zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht:

  • Wichtigkeit der Äußerung: Handelt es sich um eine Äußerung, die zu einem gesellschaftlich relevanten Diskurs beiträgt?
  • Schwere der Beeinträchtigung: Wie schwerwiegend ist der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person?
  • Kontext der Äußerung: War die Äußerung Teil einer größeren Debatte oder isoliert?
  • Grad der Verbreitung: Spielt eine Rolle, wie weit die Äußerung verbreitet wurde (z.B. im Internet mit hoher Reichweite).

Beispiel zur Abwägung:

Ein Politiker muss schärfere Kritik hinnehmen als eine Privatperson, da er in der Öffentlichkeit steht und Teil des öffentlichen Diskurses ist. Eine pauschale Beschimpfung wie „Dieser Politiker ist ein Verbrecher“ kann dennoch Schmähkritik sein, wenn kein sachlicher Kontext vorhanden ist.

Schmähkritik auf Jameda, Kununu & Co. – Was tun, wenn es Ihre Bewertungen trifft?

Bewertungsplattformen wie Jameda (für Ärzte), Kununu (für Arbeitgeber) oder Google Reviews bieten Nutzern die Möglichkeit, ihre Meinungen und Erfahrungen öffentlich zu teilen. Während solche Plattformen Transparenz und Vergleichbarkeit fördern, bergen sie auch Risiken, insbesondere wenn Bewertungen die Grenze zur Schmähkritik überschreiten.

Umgang mit Schmähkritik auf Bewertungsplattformen:

  1. Löschungsanspruch: Betroffene können die Löschung einer Bewertung verlangen, wenn diese Schmähkritik enthält. Plattformbetreiber sind verpflichtet, gemeldete Inhalte zu prüfen und gegebenenfalls zu entfernen.
  2. Unterlassung und Schadensersatz: Betroffene können rechtlich gegen den Verfasser der Schmähkritik vorgehen und eine Unterlassung sowie unter Umständen Schadensersatz verlangen.
  3. Direkter Kontakt mit dem Plattformbetreiber: Betroffene sollten den Plattformbetreiber direkt kontaktieren und eine Löschung der Schmähkritik fordern.

Vorgehensweise:

  • Beweissicherung: Dokumentieren Sie die Bewertung durch Screenshots, bevor Sie den Plattformbetreiber kontaktieren.
  • Anwaltliche Unterstützung: Ein spezialisierter Anwalt kann helfen, die rechtliche Situation zu bewerten und die Durchsetzung von Ansprüchen zu unterstützen.

Gerichtsurteile zu Bewertungsplattformen:

  • OLG Dresden, Urteil vom 15. März 2018 – 4 U 1829/17: Ein Zahnarzt wehrte sich erfolgreich gegen eine Schmähkritik auf einem Bewertungsportal. Das Gericht entschied, dass die Plattform die Bewertung hätte löschen müssen, da sie eine reine Herabwürdigung ohne sachlichen Bezug darstellte.
  • BGH, Urteil vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15: In diesem Fall musste ein Arzt eine kritische Bewertung hinnehmen, da die Äußerung als zulässige Meinungsäußerung im Rahmen der Patientenfreiheit eingestuft wurde.
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Ist Schmähkritik strafbar?

Schmähkritik kann nicht nur zivilrechtlich, sondern auch strafrechtlich relevant sein. Die relevantesten Straftatbestände im deutschen Strafrecht sind die Beleidigung (§ 185 StGB), die üble Nachrede (§ 186 StGB) und die Verleumdung (§ 187 StGB). Diese Tatbestände schützen die persönliche Ehre und können angewendet werden, wenn Schmähkritik bestimmte Schwellen überschreitet.

Beleidigung (§ 185 StGB):

Die Beleidigung umfasst alle herabwürdigenden Äußerungen, die geeignet sind, die Ehre eines anderen zu verletzen. Auch Gesten, Bilder oder Tätlichkeiten können eine Beleidigung darstellen.

  • Beispiel: Die Bezeichnung eines Kollegen als „fauler Hund“ am Arbeitsplatz wurde als Beleidigung eingestuft, da sie die persönliche Ehre verletzte.

Üble Nachrede (§ 186 StGB):

Die üble Nachrede bezieht sich auf die Behauptung oder Verbreitung ehrenrühriger Tatsachen , die nicht erweislich wahr sind. Es handelt sich hierbei um Tatsachen, die geeignet sind, das Ansehen einer Person zu schädigen.

  • Beispiel: In einer Online-Diskussion wird behauptet, ein Unternehmer sei zahlungsunfähig, ohne dass dafür Beweise vorliegen. Diese Äußerung stellt eine üble Nachrede dar.

Verleumdung (§ 187 StGB):

Die Verleumdung ist die schwerste Form der Ehrverletzungsdelikte. Hierbei werden bewusst unwahre Tatsachen behauptet oder verbreitet, um das Ansehen der Person zu schädigen.

  • Beispiel: Ein Nutzer verbreitet auf einem Bewertungsportal die Lüge, dass ein Arzt Patienten vorsätzlich falsch behandelt, um höhere Honorare zu kassieren. Diese bewusste Verbreitung von Unwahrheiten ist Verleumdung.

Die Strafen für diese Delikte reichen von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen und sind abhängig von der Schwere der Tat und den Umständen des Einzelfalls.

Beispielurteile für Schmähkritik

Eine Vielzahl von Gerichtsurteilen befasst sich mit der Abgrenzung von Meinungsfreiheit und Schmähkritik. Diese Urteile bieten Orientierungshilfen und tragen zur Klärung der Rechtslage bei.

Beispielurteile:

  1. Fall „Kanzler der Bosse“ (BVerfG, Beschluss vom 13. April 1994 – 1 BvR 23/94): Ein Arbeitnehmer bezeichnete den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl als „Kanzler der Bosse“. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass diese Äußerung von der Meinungsfreiheit gedeckt sei, da sie im Kontext einer sozialpolitischen Auseinandersetzung stand und keine Schmähkritik darstellte.
  2. Urteil zur Bezeichnung als „Lügner“ (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2019 – VI ZR 249/18): Die Bezeichnung eines Geschäftspartners als „Lügner“ wurde vom Bundesgerichtshof als Meinungsäußerung bewertet, die im Rahmen der Auseinandersetzung zulässig war, da sie auf einen konkreten Sachverhalt Bezug nahm.
  3. Urteil zur „beleidigenden Kritik“ in Internetbewertungen (OLG Dresden, Urteil vom 15. März 2018 – 4 U 1829/17): Eine Bewertung, in der ein Zahnarzt als „unfähig“ und „geldgierig“ bezeichnet wurde, wurde als Schmähkritik eingestuft, da die Äußerungen nicht primär auf eine sachliche Kritik, sondern auf die Diffamierung des Zahnarztes abzielten.

Der Fall Böhmermann Erdogan

Ein prominenter Fall, der das Thema Schmähkritik in den öffentlichen Diskurs rückte, war der Fall Böhmermann vs. Erdogan. Im Jahr 2016 trug der deutsche Satiriker Jan Böhmermann ein Gedicht mit dem Titel „Schmähkritik“ vor, das den damaligen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan auf eine äußerst beleidigende Art darstellte. Die Reaktionen waren weitreichend: Während einige Böhmermanns Recht auf Satire verteidigten, sahen andere eine klare Grenze zur Schmähkritik überschritten.

Rechtliche Bewertung:

  • Verfahren: Erdogan stellte Strafantrag wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts (§ 103 StGB, inzwischen abgeschafft) und Privatklage wegen Beleidigung (§ 185 StGB).
  • Gerichtsurteil: Das Landgericht Hamburg entschied, dass Teile des Gedichts unzulässige Schmähkritik darstellen und untersagte deren Wiederholung. Das Gericht stellte klar, dass der Schutz der Meinungsfreiheit nicht unbegrenzt sei und in diesem Fall die Persönlichkeitsrechte Erdogans schwerwiegender verletzt wurden.

Der Fall zeigt eindrucksvoll die Komplexität der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit, Satire und Schmähkritik. Die Entscheidung des Gerichts stieß auf gemischte Reaktionen und führte zu einer breiten Diskussion über die Grenzen der Meinungsfreiheit in der Kunst und Satire.

Fazit

Schmähkritik im Internet ist ein Phänomen, das die rechtlichen Grenzen der Meinungsfreiheit regelmäßig auf die Probe stellt. Während die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist, das durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt wird, findet sie ihre Grenzen in den Rechten anderer, insbesondere im Schutz der persönlichen Ehre. Die Rechtsprechung zeigt, dass die Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten eine komplexe und oft schwierige Aufgabe ist. Dabei spielt der Kontext der Äußerung eine entscheidende Rolle: Was in einem politischen Diskurs noch zulässig sein mag, kann im privaten Bereich eine unzulässige Schmähkritik darstellen.

Für Betroffene von Schmähkritik auf Bewertungsplattformen wie Jameda oder Kununu ist es wichtig zu wissen, dass sie sich rechtlich wehren können. Die Plattformbetreiber sind verpflichtet, rechtswidrige Inhalte zu entfernen, und Betroffene haben Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz. Der Fall Böhmermann vs. Erdogan illustriert zudem die Sensibilität des Themas, insbesondere wenn Satire und Kunstfreiheit ins Spiel kommen.

Die klare Abgrenzung zwischen Meinungsfreiheit und Schmähkritik bleibt eine Herausforderung für die Gerichte und erfordert eine sorgfältige Einzelfallprüfung. Die Gesellschaft muss sich der Bedeutung der Meinungsfreiheit bewusst sein, gleichzeitig aber auch die Verantwortung, die mit ihrer Ausübung einhergeht, respektieren. Letztlich geht es darum, einen respektvollen Umgang miteinander zu fördern und die Würde jedes Einzelnen zu wahren, auch im digitalen Raum.