Prüfpflicht von Bewertungsportalen – Keine Haftung für Bewertungsportale bei ordnungsgemäßer Prüfpflicht
Das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 29. Mai 2024 (Az. 3 O 46/23) stellt eine Weichenstellung für die rechtliche Bewertung von Hostprovidern dar, die Plattformen für Online-Bewertungen betreiben. Es geht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Bewertungsportal für die Inhalte seiner Nutzer haftbar gemacht werden kann. Dabei standen insbesondere die Anforderungen an die Prüfpflichten des Portals sowie die Darlegungs- und Beweislast des Klägers im Fokus.
Der Kläger, ein Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, betreibt eine Praxis, die auf einer bekannten Bewertungsplattform gelistet ist. Auf dieser Plattform wurde eine anonyme Bewertung veröffentlicht, die dem Kläger lediglich einen Stern verlieh. In der Bewertung wurde unter anderem bemängelt, dass der Arzt nur wenige Minuten für die Konsultation aufgewendet habe, ohne sich mit der Vorgeschichte des Patienten auseinanderzusetzen. Zudem habe der Arzt eine MRT-Untersuchung vorgeschlagen, ohne die Klaustrophobie des Bewerters zu berücksichtigen.
Der Arzt forderte die Beklagte, die Betreiberin der Bewertungsplattform, auf, die negative Bewertung zu entfernen. Diese leitete ein Prüfverfahren ein, kontaktierte den anonymen Bewerter und erbat eine Stellungnahme. Da die Bewertung daraufhin bestätigt wurde und keine weiteren Belege zur Behandlung vorlagen, weigerte sich die Beklagte, die Bewertung zu löschen.
Klage und Argumente
Position des Klägers
Der Kläger berief sich auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und argumentierte, dass die Bewertung unwahr und ehrenrührig sei. Zudem behauptete er, dass es keinen Kontakt zwischen ihm und dem Verfasser der Bewertung gegeben habe.
Er war der Ansicht, dass das Portal seinen Prüfpflichten nicht nachgekommen sei, da es die Bewertung nicht hinreichend auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft habe. Weiterhin forderte er, die Beklagte zu verpflichten, die Veröffentlichung der Bewertung dauerhaft zu unterlassen.
Position der Beklagten
Die Beklagte argumentierte, dass sie ihre Prüfpflichten ordnungsgemäß erfüllt habe. Sie betonte, dass eine vollständige Identifikation des Bewerters nicht zumutbar sei, da dies die Anonymität des Nutzers verletzen würde. Die Beklagte habe die Stellungnahme des Bewerters eingeholt und den Kläger informiert – mehr sei im Rahmen der Zumutbarkeit nicht erforderlich.
Entscheidung des Gerichts
Die Klage wurde abgewiesen. Das Landgericht Koblenz urteilte, dass die Beklagte ihre Prüfpflichten erfüllt habe und daher nicht als mittelbare Störerin haftbar gemacht werden könne.
Grundsatz der Störerhaftung
Das Gericht stellte zunächst fest, dass Bewertungsportale grundsätzlich als Störer in Anspruch genommen werden können. Diese Haftung greift jedoch nur, wenn die Plattformbetreiber ihre Prüfpflichten verletzen.
„Wer – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt, kann als mittelbarer Störer für die Unterlassung einer Schutzrechtsverletzung in Anspruch genommen werden,“ erklärte das Gericht.
Prüfpflichten der Beklagten
Die Prüfpflichten eines Portals richten sich nach den Umständen des Einzelfalls und umfassen insbesondere die Plausibilitätsprüfung der Bewertung. Laut Gericht habe die Beklagte in diesem Fall alles Zumutbare getan.
„Die Beklagte hat den Verfasser der Bewertung kontaktiert, eine Stellungnahme eingeholt und dem Kläger zur Kenntnis gebracht. Mehr konnte und musste von der Beklagten nicht verlangt werden,“ so die Entscheidung.
Die Kammer betonte, dass die Anonymität des Bewerters gewahrt bleiben müsse. Es sei nicht Aufgabe der Plattform, umfassende Ermittlungen durchzuführen oder die Identität des Nutzers zu offenbaren.
Darlegungs- und Beweislast des Klägers
Das Gericht hob hervor, dass die Beweislast für die Unwahrheit der Bewertung beim Kläger liegt. Dieser habe jedoch lediglich behauptet, dass kein Patientenkontakt stattgefunden habe, ohne dafür ausreichende Beweise vorzulegen.
„Das Vorbringen des Klägers, wonach kein Patientenkontakt stattgefunden habe, ist unsubstantiiert,“ stellte das Gericht fest. Der Kläger habe nicht dargelegt, warum die geschilderten Umstände nicht zutreffen könnten.
Kein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht
Auch einen Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers konnte das Gericht nicht erkennen. „Soweit der Kläger eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts geltend macht, setzt dies voraus, dass die in der Bewertung geäußerten Tatsachen unwahr sind,“ hieß es in der Urteilsbegründung.
Da die Bewertung als Meinungsäußerung zu werten sei und keine klaren Beweise für ihre Unwahrheit vorlägen, sah das Gericht keinen Anlass für eine Löschung.
Praktische Konsequenzen für Bewertungsportale
Das Urteil stärkt die Rechtsposition von Bewertungsportalen und definiert klare Anforderungen an deren Prüfpflichten:
- Plausibilitätsprüfung reicht aus: Portale müssen Bewertungen auf ihre Plausibilität prüfen, sind jedoch nicht verpflichtet, umfassende Nachforschungen anzustellen.
- Wahrung der Anonymität: Die Identität anonymer Bewerter darf nur offengelegt werden, wenn ein offensichtlicher Rechtsverstoß vorliegt.
- Keine Beweislast für Portale: Bewertungsplattformen trifft keine Beweislast für die Richtigkeit einer Bewertung. Sie haben lediglich eine sekundäre Darlegungslast, der sie durch das Einholen von Stellungnahmen genügen können.
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Bewertung des Urteils
Stärkung der Meinungsfreiheit
Das Urteil stärkt die Meinungsfreiheit, indem es Plattformbetreiber von einer übermäßigen Haftung entlastet. Negative Bewertungen sind ein wesentlicher Bestandteil der öffentlichen Meinungsbildung, und eine pauschale Haftung der Plattformen könnte diese Freiheit einschränken.
Abwägung zwischen Anonymität und Schutzrechten
Das Gericht hat einen angemessenen Ausgleich zwischen der Anonymität von Nutzern und den Rechten der Bewerteten gefunden. Die Prüfpflichten der Plattformen wurden nicht überspannt, was zu einer praxistauglichen Entscheidung führt.
Kritikpunkt: Beweislast beim Betroffenen
Kritiker wenden ein, dass die Beweislastregelung Betroffene unverhältnismäßig belastet. Für Ärzte und andere Dienstleister kann es schwierig sein, nachzuweisen, dass eine Bewertung unwahr ist, insbesondere wenn sie anonym abgegeben wurde.
Fazit
Das Urteil des LG Koblenz setzt klare Maßstäbe für die Haftung von Bewertungsportalen. Es zeigt, dass Plattformbetreiber nicht haftbar gemacht werden können, solange sie ihre Prüfpflichten erfüllen und keine eindeutigen Beweise für die Unwahrheit der Bewertungen vorliegen. Für Betroffene bedeutet dies, dass sie sorgfältig und substantiiert vorgehen müssen, um ihre Ansprüche erfolgreich geltend zu machen.