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Darf man den gegnerischen Anwalt bewerten?

In der heutigen digitalen Welt spielen Online-Bewertungen eine entscheidende Rolle bei der Auswahl von Dienstleistern. Auch Rechtsanwälte und Kanzleien sind davon betroffen. Kunden hinterlassen ihre Meinungen und Erfahrungen auf Plattformen wie Google oder anderen Bewertungsportalen. Doch was passiert, wenn die Bewertung von einem Prozessgegner stammt? Ist es ethisch vertretbar und rechtlich zulässig, den gegnerischen Anwalt zu bewerten? Diese Fragen werfen ein Licht auf die komplexen Beziehungen im juristischen Bereich und die Bedeutung von Transparenz und Fairness in der Online-Kommunikation.
gegnerischen Anwalt bewerten

Rechtliche Grundlagen und aktuelle Gerichtsentscheidungen zur Frage, ob man einen gegnerischen Anwalt bewerten darf

Das Landgericht München hat in einem Fall zum Thema „darf man den gegnerischen Anwalt bewerten“ entschieden, dass ein Prozessgegner den gegnerischen Anwalt nicht auf Plattformen wie Google bewerten darf, insbesondere wenn keine Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien besteht. In diesem konkreten Fall hatte eine Beklagte nach einem Rechtsstreit eine 1-Stern-Bewertung für den Anwalt abgegeben, obwohl keine Dienstleistungen in Anspruch genommen wurden und keine Vertragsbeziehung bestand. Das Gericht sah darin einen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Anwalts und eine Verletzung seines Gewerbebetriebs.

Auch das Oberlandesgericht Stuttgart schloss sich dieser Ansicht zum Thema „darf man den gegnerischen Anwalt bewerten“ an und wies die Berufung eines Bewerters zurück, der die Bewertung seines gegnerischen Anwalts verteidigte. Es betonte die Notwendigkeit eines mandatsbezogenen geschäftlichen Kontakts für eine zulässige Bewertung. Die Frage, ob man einen gegnerischen Anwalt bewerten darf, wurde somit bereits obergerichtlich entschieden.

Ethik und Fairness in der Bewertungskultur

Abgesehen von den rechtlichen Aspekten wirft die Bewertung von Gegnern auch ethische Fragen auf. Rezensionen sollten auf objektiven Erfahrungen und Leistungen basieren und nicht auf persönlichen Konflikten oder geschäftlichen Auseinandersetzungen. Die Fairness und Integrität der Bewertungsplattformen stehen auf dem Spiel, wenn Nutzer Bewertungen als Mittel zur Rache oder Schädigung des Rufes anderer missbrauchen.

Die Bedeutung von Transparenz und Objektivität

Für Verbraucher ist es entscheidend, bei der Abgabe von Rezensionen transparent und objektiv zu bleiben. Persönliche Konflikte sollten nicht die Qualität einer Dienstleistung beeinflussen oder die Reputation eines Anwalts oder einer Kanzlei unnötig beschädigen. Stattdessen sollten Bewertungen dazu dienen, anderen Verbrauchern bei ihrer Entscheidung zu helfen und ein realistisches Bild der angebotenen Leistungen zu vermitteln.

 

Juristisch saubere Begründung des AG Ulm (Az.: 7 C 1279/21) zum Thema ob man einen gegnerischen Anwalt bewerten darf:

Im dortigen, von unserer Kanzlei geführten Verfahren hatte der Bewerter, der selbst nicht Mandant der bewerteten Kanzlei war, bei Google eine 1-Stern-Bewertung mit dem Kommentar „ohne Worte“ abgegeben. Das AG Ulm entschied, dass die Google Bewertung zu löschen sei und es dem Bewerter nicht möglich sei, einen gegnerischen Anwalt zu bewerten:

„Der Beklagte verletzt mit seiner Meinungsäußerung die Klägerin in ihren Rechten durch rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn eine Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und dem durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Recht auf Meinungsfreiheit ergibt, dass das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. LG Lübeck Urt. v. 13.6.2018 – 9 O 59/17, BeckRS 2018, 13241 Rn. 27, beck-online)

Vorliegend sind das durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Interesse der Klägerin am Schutz ihrer sozialen Anerkennung, ihrer Berufsehre sowie ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb mit der in Art. 5 Abs. 1 GG verankerten Kommunikationsfreiheit und der Meinungsäußerungsfreiheit des Beklagten als Bewertenden abzuwägen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei dem angegriffenen Beitrag um eine Meinungsäußerung und nicht um eine Tatsachenbehauptung handelt.

Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Das scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr und unwahr erweisen lassen. Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte.

Hat die angegriffene Bewertung keine tatsächliche Grundlage, überwiegt das von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Interesse der Klägerin am Schutz ihrer sozialen Anerkennung, ihrer Berufsehre sowie ihres Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb die von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interessen des Beklagten an der Äußerung der dargestellten Meinung und der Kommunikation dieser Meinung. Denn bei Äußerungen, in denen sich wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, fällt bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht (vgl. LG Lübeck a.a.O. unter Verweis auf BGH, Urteil vom 01. März 2016 – VI ZR 34/15 –, BGHZ 209, 139–157, Rn. 24, 30–33, 36)

Unter Bezugnahme auf die beklagtenseits zitierte Entscheidung des OLG Dresden, Beschluss vom 22.07.2020, 4 U 652/20 genügt dabei nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht jedweder Kundenkontakt mit dem Leistungsanbieter als eine zulässige Grundlage für eine Meinungsäußerung in der streitgegenständlichen Form. Fraglich ist vorliegend schon, ob der Beklagte hier tatsächlich als Kunde des klägerischen Geschäfts zu bezeichnen ist.

Das Gericht folgt der Auffassung des OLG Nürnberg, Beschluss vom 17.07.2019, 3 W 1470/19 (vgl. dort Rn 31 und 33), wonach auch bei Bewertungen wie der streitgegenständlichen die Tatsachenbehauptung nach dem Verständnis einer unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsperson darin liegen dürfte, dass implizit geäußert wird, es habe zwischen dem Bewerter und dem Leistungsanbieter irgendeine mit der Dienstleistungsart im Zusammenhang stehende Verbindung gegeben, welche der Bewerter als unzureichend empfunden hat. Die der Meinungsäußerung zugrunde liegende Tatsachenbehauptung, eine geschäftliche Beziehung, die als unzureichend empfunden wurde, habe bestanden, hält das Gericht vorliegend nicht für gegeben und die darauffolgende Meinungsäußerung mit einem Stern und dem Text „Ohne Worte …“ für rechtswidrig, da sie die Klägerin in ihrem Recht vor allem aus Art.12 GG verletzt.

Auch die beklagtenseits zitierte Entscheidung des OLG Dresden, Beschluss vom 22. Juli 2020, Az.: 4 U 652/20 steht dem nicht entgegen, wonach eine 1-Sterne-Bewertung zwar als Ausfluss der Meinungsfreiheit auch dann hinzunehmen sei, wenn man davon ausginge, dass die zu ihrer Begründung angeführten Tatsachenbehauptungen unwahr seien (dort Rn. 7); anderes gelte aber dann, wenn der streitgegenständlichen Bewertung kein Kundenkontakt zu Grunde gelegen hätte (dort Rn. 8).

Dies ist vorliegend der Fall, da […]

Der 1-Sterne-Bewertung lag damit aus Sicht des Gerichtes kein Kundenkontakt im eigentlichen Sinne, sondern eine gegnerische Beziehung zu Grunde. Denn soweit der Beklagte die Bewertung sodann bestehen ließ und sie nunmehr mit „Ohne Worte….“ ergänzte, ließ er die Bewertungsgrundlage unberührt, sodass die Bewertung bis heute auf keinem Kundenkontakt im eigentlichen Sinne fußt.

Vor diesem Hintergrund sind die vom LG München I in seinem Urteil vom 20.11.2019 – 11 O 7732/19 aufgestellten Grundsätze uneingeschränkt anwendbar, wonach berücksichtigt werden muss, dass die Klägerin eine Anwaltskanzlei ist:

„Ein Anwalt ist Interessenvertreter seines Mandanten, insbesondere bei Streitigkeiten mit anderen Parteien. Der Beruf des Anwalts bringt es folglich mit sich, dass regelmäßig andere Parteien in Rechtsstreitigkeiten den Anwalt als Gegner sehen. Erreicht ein Anwalt für seinen Mandanten das bestmögliche Ergebnis, ist dies oft mit einer zumindest gefühlten Niederlage auf der Gegenseite verbunden. Auf Grundlage dieser Erwägungen wird auch deutlich, dass die Onlinebewertung einer Anwaltskanzlei zwar nicht die Aussage enthält, der Bewertende sei Mandant der Kanzlei gewesen, jedoch, dass er sachbezogene Erfahrungen mit den, von dieser angebotenen Leistungen gemacht hat und seine Bewertung nicht auf sachfremden Erwägungen beruht. Dies kann beispielsweise, wie von der Klagepartei zutreffend ausgeführt, auch auf den Versuch, einen Termin zu vereinbaren, durch eine Reaktion auf eine schriftliche Anfrage oder eine vergleichbare Situation zurückzuführen sein. Nicht jedoch auf Erfahrungen als Gegner eines Mandanten dieser Kanzlei. Durch die Bewertung behauptet die Beklagte folglich wahrheitswidrig mit, dass sie in einer für die Bewertung der angebotenen Leistung der Klägerin relevanten Art und Weise mit dieser in Kontakt gekommen ist, was sie als gegnerische Partei in einem Rechtsstreit mit einem Mandanten der Kanzlei jedoch nicht ist.“ (vgl. LG München I Endurteil v. 20.11.2019 – 11 O 7732/19, BeckRS 2019, 43162 Rn. 35, beck-online).“

Anwälte und Kanzleien können sich somit mit hohen Erfolgschancen gegen Bewertungen wehren, die von Gegnern verfasst wurden. Die Ausführungen des AG Ulm zu der Frage, ob man einen gegnerischen Anwalt bewerten darf, überzeugen.