Anwalt kann Löschung einer ein-Sterne-Bewertung des Prozessgegners verlangen
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 31.08.2022 klargestellt, dass eine ein-Sterne-Bewertung mit dem Kommentar „nicht empfehlenswert“ und „kritisch: Professionalität“ zur Leistung eines Rechtsanwalts auf einer Internetplattform durch die gegnerische Prozesspartei ein Werturteil darstellt, welches nach dem objektiven Sinngehalt einen Tatsachenkern aufweist, nach dem die Bewertung auf Erfahrungen aus einem mandatsbezogenen geschäftlichen Kontakt beruht.
Das Wichtigste in Kürze:
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Anwälte können die Löschung unberechtigter Ein-Sterne-Bewertungen verlangen: Wenn eine Bewertung offensichtlich rachsüchtig oder rechtswidrig ist, zum Beispiel durch einen Prozessgegner abgegeben, kann ein Anwalt die Löschung der Bewertung fordern.
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Ein-Sterne-Bewertungen des Prozessgegners sind oft rechtswidrig: Solche Bewertungen können als unzulässige Meinungsäußerung gewertet werden, wenn sie mit der Absicht erfolgen, den Ruf zu schädigen, und haben in vielen Fällen keinen rechtlichen Bestand.
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Schnelles Handeln kann rechtliche und reputationsschädigende Folgen verhindern: Unternehmen sollten bei verdächtigen Bewertungen zügig handeln und rechtlichen Rat einholen, um den Schaden durch negative Rezensionen zu minimieren und potenzielle Kunden nicht abzuschrecken.
Hintergrund
Geklagt hat ein Rechtsanwalt, dessen Kanzlei bei Google gelistet ist. Hierbei wird diese auch über „Google My Business“ beworben. Der Beklagte war in einen Prozess verwickelt, in dem der Kläger die Klägerseite anwaltlich vertreten hatte, Beklagter. Dieser hatte über die klägerische Kanzlei bei Google eine „ein-Sterne-Bewertung“ mit folgendem Inhalt abgegeben:
„nicht empfehlenswert“ und „kritisch: Professionalität“.
Ein vorgerichtlicher Versuch des Klägers, den Beklagten zur Löschung der Rezession und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung zu bewegen, war erfolglos. Einen Unterlassungs- und Löschungsanspruch stützte der Kläger darauf, dass die beanstandete Bewertung in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingreife. Diese sei geeignet, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung sei das Interesse des Klägers am Schutz seiner sozialen Anerkennung und seiner (Berufs-) Ehre höher zu gewichten als das Interesse des Beklagten an der Kundgabe seiner Meinung, da zwischen den Parteien keine Geschäftsbeziehung bestanden hat. Nachdem das LG der Klage stattgegeben hatte, rügte der Beklagte in der Berufung vor dem OLG die Verletzung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG.
Wann ist ein Eingriff in die Rechte des Betroffenen gegeben?
Dem Kläger ist ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 12 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG auf Löschung der streitgegenständlichen Erklärung wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder gem. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, 823 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 3 GG wegen eines Eingriffs in den sozialen Geltungsanspruch des Klägers als Wirtschaftsunternehmen zugesprochen worden. Bei dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb handelt es sich um einen offenen Tatbestand, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben. Nichts anderes gilt für das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Die Rechtswidrigkeit, wie sie im Fall vorgelegen hat, ergibt sich daraus, dass das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt.
Bewertung enthielt trotz Werturteil einen Tatsachenkern
Zunächst erfolgt eine Einordnung als Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung der Äußerung. Bei einer ein-Sterne-Bewertung sowie bei den Angaben „nicht empfehlenswert“ und „kritisch: Professionalität“ handelt es sich bei isolierter Betrachtung um reine Werturteile, welche Meinungsäußerungen darstellen. Der Beklagte habe vorliegend für den Leser zum Ausdruck bringen wollen, dass es sich um eine subjektive Einschätzung zur Leistung des Klägers handele, welche durch das eigene Dafürhalten geprägt sei, so der Senat. Mangels der Zugänglichkeit des Beweises sei eine Tatsachenbehauptung grundsätzlich auszuschließen. Das Gericht war allerdings der Auffassung, dass die Bewertung nach dem Kontext der Äußerungen über ihren Wortlaut hinaus aus Sicht eines durchschnittlichen Lesers auch tatsächliche Elemente enthalte. Vorliegend behaupte der Beklagte damit zugleich, dass er mit dem für die Bewertung der Kanzlei relevanten Leistungsangebot in Kontakt gekommen sei.
Bewertender muss Mandatsbezug aufweisen
Um rechtmäßig eine Bewertung über eine Kanzlei abzugeben, muss der Bewertende nicht zwingend Mandant der Kanzlei gewesen sein. Es genügt vielmehr schon jeder leistungsbezogene bzw. mandatsbezogene geschäftliche Kontakt zwischen den potentiellen (Vertrags-) Parteien, etwa bei der mündlichen Vereinbarung eines ersten Beratungstermins oder bei einer schriftlichen Anfrage an die Kanzlei, um sich über diese eine Meinung bilden zu können. Allerdings fällt hierunter nicht schon der Kontakt der gegnerischen Prozesspartei des Mandanten einer Kanzlei. In diesem Zusammenhang gesammelte Erfahrungen stellen keinen leistungsbezogenen bzw. mandatsbezogenen geschäftlichen, sondern nur einen gelegentlichen sonstigen Kontakt dar.
Bewertung enthielt keine belastbare Aussagekraft
Abzustellen ist stets auf einen durchschnittlichen Leser, der typischerweise die Online-Bewertungen betrachtet, um sich im Vorfeld der Vertragsanbahnung zu informieren. Dieser gehe nach der Auffassung des Gerichts davon aus, dass der streitgegenständlichen Bewertung ein leistungs- bzw. mandatsbezogener geschäftlicher Kontakt zugrunde liege. Insbesondere besitze eine Bewertung, die auf einem sonstigen gelegentlichen Kontakt, dem Prozessgegner eines Mandanten der Kanzlei beruhe, keine belastbare Aussagekraft für die vorzunehmende Bewertung der Leistung der Kanzlei. Damit könne diese auch nicht der von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligten und gesellschaftlich erwünschten Funktion von Bewertungsfunktionen von Online-Plattformen i.S.d. Schaffung von Markttransparenz beitragen. Dabei sei allseits bekannt und gesellschaftlich anerkannt, dass der tätige Rechtsanwalt als Interessenvertreter des Mandanten fungiere. Zusätzlich bedeute die erfolgreiche Wahrnehmung der Interessen des eigenen Mandanten oft nachteilige Konsequenzen für den Gegner des Mandanten, was neben dem fehlenden Mandatsbezug ein weiterer Faktor für die Annahme der Rechtswidrigkeit der Bewertung sei.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 31.08.2022, Az. 4 U 17/22